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Wohnen im Vorderen Westen nach 1945

 

Während der Zweite Weltkrieg eine fast völlige Zerstörung für die Altstadt bedeutete, wurden in dem weit weniger betroffenen Stadtteil, dem Vorderen Westen, nach dem Krieg zunächst teilzerstörte Häuser instand gesetzt und erweitert, zerstörte Häuser wieder aufgebaut, Wohnungen wurden geteilt. Die Bevölkerung verdichtete sich und auch weniger verdienende Schichten wohnten zunehmend im Stadtteil - ein Trend, der in den 60er Jahren beendet wurde.

In dieser Zeit entsprachen viele Wohnungen nicht mehr dem jetzt bei Neubauten erreichten Standard und genügten nicht zumindest „gehobenen“ Ansprüchen. Fehlende Bäder, unzureichende Elektroinstallationen, große Raumhöhen bei unzureichender Isolierung, veraltete Heizungen (zumeist Ofenheizung) und andere Mängel an den Häusern bewegten viele Familien dazu - auch dem allgemeinen Trend der Zeit folgend - dem Wohnen im Westen eine Neubauwohnung am Stadtrand oder ein Haus im Grünen vorzuziehen. Dem Bevölkerungszuwachs folgte ein Rückgang. Der Vordere Westen war nicht mehr attraktiv.

Umgekehrt wurde dieser Trend in den 70er Jahren. Ausländische Arbeitnehmer zogen in leerstehende Wohnungen, aber vor allem mit der Gründung der Gesamthochschule entdeckten Studentinnen und Studenten sowie andere Angehörige der GhK den Stadtteil für sich. Er bot insbesondere auch die Möglichkeit, die seit Ende der 60er Jahre entdeckte Wohngemeinschaft zu leben: Große Wohnungen standen hier zur Verfügung, angesichts ihres Standards waren die Mieten erschwinglich, angesichts von Wohnungsleerständen waren Hauseigentümer (die sonst damals Vorbehalte hatten), bereit, an Wohngemeinschaften zu vermieten. Kassel galt als eine Stadt mit besonders vielen Wohngemeinschaften.

Die Belebung des Stadtteils machte ihn wieder attraktiver. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre erlebte der Vordere Westen die Spekulation mit Häusern, die viele Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandelte oder zu wandeln versuchte. Die Mittel, die dabei angewandt wurden, hielten den Gesetzen nicht immer Stand, eine Mieterinitiative gründete sich, die dem Widerstand entgegen setzte, die örtliche und auch die überregionale Presse berichtete. Die Frankfurter Rundschau titelte zum Beispiel in der Unterzeile am 31.12.79: „Rentner und Studenten in Kassel bangen um ihre billigen Wohnungen“, der Extra-Tip vom 16.12.79 berichtete über eine „Demonstration gegen Spekulanten“, die HNA stelle die Berichterstattung über eine Vortragsveranstaltung unter die Schlagzeile „Wie Kassel gegen Spekulanten vorgehen könnte“ (HNA, 9.2.1980).