Stadtteilkonferenz am 16. November 2024: Wasser im Vorderen Westen
Wasser im Vorderen Westen
Klimawandel und Artensterben, Überflutung und Überhitzung: wie sollten wir mit dem Wasser im Stadtteil umgehen?
Diese Stadtteilkonferenz veranstaltete der Verein Kassel West e.V. am 16. November 2024 in der „Kirche im Hof“, Friedrich-Ebert-Straße 102.
Nach der Begrüßung der ca. 35 interessierten Menschen durch die Vereinsvorsitzende Bärbel Praßer und einer Einführung in das Thema von Hans-Helmut Nolte gab es vier Referate.
- Dr. Hans-Helmut Nolte (Kassel West e.V.) Einführung zur Veranstaltung
"Wasser im Vorderen Westen" - Prof. Dr. René Sahm (Universität Kassel, Gewässerökologie) "Gewässer als Lebensraum in der Stadt"
- Wibke de Boer (Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel, Umweltplanung) "Starkregenvorsorge und wassersensible Stadtentwicklung"
- Werner Daldorf (Wohngenossenschaft MartiniQ) "Unser Beitrag zur Schwammstadt Kassel"
- Prof. Dr. Stephan Theobald (Universität Kassel, Wasserbau) "Fließgewässermodellierungen"
Prof. Dr. René Sahm (Universität Kassel, Gewässerökologie) sprach über die Bedeutung von Gewässerbereichen als Lebensräume für Fauna und Flora - und was getan werden müsste, um sie als solche zu erhalten und zu entwickeln. Die Situation ist nicht gerade rosig: nur ca. 10% aller Gewässer in Deutschland waren 2021 gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie in einem guten ökologischen Zustand, und die gewässertypischen Arten und Lebensgemeinschaften sind durch vielfältigen Nutzungsdruck potenziell weiterhin bedroht. In Siedlungsgebieten bedeutet das auch: Es gibt nahezu nirgends so viel Platz, dass ein Wasserlauf sich natürlich entwickeln kann und ökologisch wertvolle Randbereiche entstehen können. Dies erläuterte Prof. Sahm an den Beispielen Ahne und Drusel. Gleichwohl ist es unbedingt erforderlich, die Wasserqualität insgesamt zu verbessern und die Gewässerläufe so auszubilden, dass hier eine möglichst hohe Biodiversität entstehen kann. Dafür ist großer finanzieller Einsatz erforderlich, aber auch gerechtfertigt, wenn die angestrebten Ziele erreicht werden.
Wibke de Boer (Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel, Umweltplanung) beschrieb zunächst allgemeine Klimaschutz - und Klimaanpassungsmaßnahmen zum Thema Wasser und erläuterte dann die Vorhaben der Stadt Kassel. So werden aufgrund der Starkregenereignisse in den letzten Jahren Maßnahmen zur örtlichen Versickerung und temporären Speicherung von Regenwasser erwogen. Die Auswirkungen der Erwärmung sollen durch die Aufstellung von Trinkbrunnen gemildert werden. Drei davon sollen bis 2026 im Vorderen Westen entstehen. Aufgaben des Arbeitskreises Starkregen sind das Risikomanagement bei Starkregenereignissen sowie die Umsetzung von Maßnahmen. Weiterhin gibt es Informations- und Beratungsangebote der Stadt für Hauseigentümer zur Vorsorge gegen Starkregen. Perspektivisch sollen durch Festsetzungen in Bebauungsplänen - wie z. B. Dach- und Fassadenbegrünung oder versickerungsfähige Freiflächen - die Auswirkungen des Klimawandels gemildert werden.
Werner Daldorf (Wohngenossenschaft MartiniQ) berichtete über das Zisternenprojekt der Hausgemeinschaft Am Alten Sudhaus 7. Der Anlass für das Projekt war: Durch die Aufstellung von Blumenkübeln, die illegales Parken verhindern sollten, entstand großer Bedarf an Gießwasser. Um nicht das kostbare Trinkwasser dafür nutzen zu müssen, errichtete die Hausgemeinschaft eine Zisterne in den ehemaligen Brauereikellern. Sie fängt das einsickernde Regenwasser und das austretende Grundwasser auf. Es wird also nicht mehr wie bisher in die Kanalisation geleitet, sondern nach oben gepumpt, um dort für die Bewässerung der Pflanzkübel, Bäume und Gartenflächen genutzt zu werden. Weiterhin verspricht sich die Hausgemeinschaft eine kühlende Wirkung für das dicht bebaute Wohnquartier durch das verdunstende Wasser, eine Verschönerung des Quartiers durch Blumen, Bäume und Sträucher sowie die Förderung einer guten Nachbarschaft mit den anderen Bewohnern des Quartiers durch Mitbenutzung des Wassers. Auch wenn es sich hier um eine sehr spezielle Situation handelt, zeigt das Projekt doch, dass durch Eigeninitiative viel für Wasserhaushalt und Klimaschutz getan werden kann. Herr Daldorf lud herzlich zu einer Besichtigung ein (nach Terminabsprache).
Das Thema von Prof. Dr. Stephan Theobald (Uni Kassel, Wasserbau) war der Umgang mit Fließgewässern aus wasserbaulicher Sicht. Er erläuterte die Nutzungsaspekte - z. B. Schifffahrt, Wasserversorgung, Erholung - und verknüpfte sie mit den Gefahrenpotentialen. Diese beziehen sich im Klimawandel vor allem auf Hochwasser und Wassermangel, aber auch auf Verschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen. Am Beispiel von Roth an der Lahn zeigte er die Systematik der Planung wasserbaulicher Maßnahmen zur Hochwasserentlastung. Dieser Aspekt spielt auch bei der Drusel eine entscheidende Rolle und muss mitbedacht werden, wenn hier z. B. über eine abschnittsweise Freilegung diskutiert werden soll.
Diskussion
In der folgenden lebhaften Diskussion wurde gefordert, dass die Stadt Kassel konkrete Maßnahmen formuliert und auf den Weg bringt; schließlich will sie ja gemäß dem Stadtverordneten-Beschluss „Schwammstadt“ werden. Nach Ansicht der Diskutierenden gehört dazu vor allem ein Entsiegelungs- und Begrünungskonzept für den Vorderen Westen, das auch die meist voll versiegelten Schulhöfe einbezieht. Die Veränderung der Drusel bis hin zur Freilegung bleibt weiterhin ein Thema, auch angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen.
An der bereit gestellten Pinnwand und per Mail gab es folgende Ideen und Anregungen (Zitate):
- Parkhaus an der Fünffensterstraße wird abgerissen! Hier Neubau für Wohnungen und rundum vertikale Begrünung
- Einbeziehung von Genossenschaften + Eigentümern / Fabriken
- Bereitstellung von Wassersammelstellen für Bäume etc. geplant? Wann wird aufgestellt?Fassadenbegrünung + Entsiegelung
- Gute Initiative - Mehr Werbung - HNA
- Quellen zu Wasserqualitäten?
- Entscheidungsprozesse
- Brunnen an der Goetheanlage seit Jahren im Gespräch!
- Solaranlagen auf Häusern mit Eigentümergemeinschaften
- Wie können Anpassungsmaßnahmen beschleunigt werden?
- Regentonnen für Baumbewässerung an öffentlichen + privaten Gebäuden
- Wie tief würde der „Graben“, wenn man die Drusel in der Goetheanlage öffnen würde?
- Da die Drusel so tief liegt: Einen Teil des Wassers mit einer Pumpe an die Oberfläche holen, einen gewundenen Wasserlauf durch die Goetheanlage führen, am östlichen Ende dann wieder in den Bach einleiten.
Wunschzettel
Aus den Ergebnissen der Diskussion und den schriftlichen Anregungen wurde folgender Wunschzettel zusammengestellt:
- Versickerung: Entsiegelungs- und Begrünungskonzept
- Speicherung: Zisternenkonzept öffentlich und privat
- Druselkonzept
- Trinkbrunnenkonzept (auch mobil)
- Konzept Coole Orte: alle ca. 200 m ein Wasserplatz: Brunnen, Trinkbrunnen, Wasserwolke…
- Runder Tisch Wasser mit Politik, Verwaltung, Klimabeirat, Bürgerinnen
- …und der „Tag des Wassers“…wie der Tag der Erde: hier wird auf einer Hitzeinsel alles gezeigt, was Wasser in der Stadt leisten kann…