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Goethestraße 59 (früher Kaiserstraße)

Die Geschichte dieses Hauses ist von Dietfrid Krause-Vilmar näher untersucht worden.  Es gehörte zu den Häusern im Vorderen Westen, in denen seit dem Ende der 1930er Jahre jüdische Familien konzentriert wurden.

Das Haus wurde 1921 von dem jüdischen Kaufmann und Geschäftsführer bei Lieberg & Co. Otto Schartenberg erworben, der dort mit seiner Familie bis 1939 wohnte. Zwei Wohnungen waren in dieser Zeit an jüdische Familien vermietet, eine davon an Abraham Löwenstern, seine Ehefrau  Frieda und seine Mutter Settchen. Im Oktober 1938 zogen der Rechtsanwalt Alexander Lewinsohn und der Arzt Dr. Willi Gotthilf, der sein eigenes Haus in der Spohrstraße hatte veräußern müssen, in das Haus ein.

Otto Schartenberg verkaufte es im Frühjahr 1939 an den Regierungs-Medizinal-Rat und Parteigenossen Dr. Alfred Sawade für 35.000 RM. Danach gelang seiner Familie die Emigration. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte das Haus nur jüdische Bewohner, zu denen im Verlauf des Jahres noch weitere kamen: Moritz und Maria Goldberg, Anna und Elsa Moses, Käthe Berg, Hans, Gertrud und Marianne Oppenheim, Heinrich und Regina Bluth, Johanna und Max Breslauer, die unterschiedlich lange dort blieben. Vorübergehend war das Haus also quasi ein „Judenhaus“, von dessen Bewohnern fast alle dann bis zum April 1941 in andere „Judenhäuser“ in der Stadt eingewiesen wurden. Dazu trug auch die Aufforderung Dr. Sawades bei, das Haus von „Nichtariern“ frei zu machen, es zu „entjuden“.

Von den ehemaligen Bewohnern der Kaiserstraße 59 fielen dem Völkermord zum Opfer:

·         Heinrich Bluth

·         Regina Bluth

·         Johanna Breslauer

·         Max Breslauer

·         Settchen Löwenstern

·         Hans Oppenheim

·         Gertrud Oppenheim

Marianne Oppenheim konnte mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht werden.

Die frei gewordenen Wohnungen bezogen 1941 und 1943 zwei SS-Führer. Das Haus wurde bei einem Luftangriff zerstört.

Die Informationen sind entnommen aus:

Sabine Schneider | Eckart Conze | Jens Flemming | Dietfrid Krause-Vilmar, Vergangenheiten. Die Kasseler Oberbürgermeister Seidel, Lauritzen, Branner und der Nationalsozialismus, Marburg 2015, S.25ff.