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Zur Geschichte der Kirche im Hof

Von der Reichshalle zur Kirche im Hof

Beim Blättern in alten Unterlagen des Stadtarchivs erfährt man einiges über die Geschichte des Hauses Friedrich-Ebert-Straße 102, das 1978 zum Gemeindehaus mit der Kirche im Hof wurde. 1876 wurde es als eines der ersten Häuser in der damaligen Hohenzollernstraße gebaut. Zu der Zeit gehörte die heutige Straße ab der Querallee noch zu Wehlheiden. Im Erdgeschoß und im Seitenflügel lud das Gasthaus Reichshalle zu Tanz, Theater und Getränken aller Art ein. Dabei war der heutige Gottesdienstraum ein Gastraum, in dem auch getanzt wurde. Hinter der heutigen Kirche erstreckte sich über die ganze Grundstückbreite ein weiterer Saal mit Bühne, das Varietée-Theater, das durch Oberlichter beleuchtet wurde. Das heutige Café war Schankraum, anstelle der Toiletten war eine Küche zu finden. Das heutige Foyer war Foyer und Garderobe.

Der Name Reichshalle verweist wohl auf die Gründung des Deutschen Reiches 1871. Später gehörten das Haus und die Gastwirtschaft der Familie Lesch. Unter diesem Namen wird die Wirtschaft von verschiedenen Pächtern bis 1961 geführt. Im Archiv findet man Polizeiberichte über den ruhestörenden Lärm nach der Sperrstunde in den 30er Jahren und durch die Motorräder von Jugendlichen in den 50ern. Aber man entdeckt auch Hinweise auf die dunkle Zeit des  Nationalsozialismus. 1938 verweist der Besitzer stolz darauf, dass in seiner Wirtschaft die NSDAP Kurhessen und die SA gegründet worden waren, vermutlich 1922. Der von den Nationalsozialisten geplante Krieg führte 1943 zur Zerstörung des hinteren Saals, Tanzsaal sowie das Dach und die Wohnungen des Vorderhauses wurden beschädigt. 1953 ist der heutige Kirchensaal wieder instand gesetzt und ab 1962 ist das Möbellager Gerstung & Co GmbH Mieter der ehemaligen Wirtschaftsräume. In den Gruppenräumen im 1. Stock wurden Schlafzimmer ausgestellt, im heutigen Cafe und in der Kirche Wohnzimmermöbel  Mit der Übernahme durch die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Kassel-West änderte sich nicht nur die Zweckbestimmung, sondern auch der Geist, der hier herrscht. Wo einst die verbrecherische Partei Hitlers ihre Gründung feierte, gab nun das Evangelium von Jesus Christus den Ton an. Geblieben ist aber, dass hier wie vor 141 Jahren  Gastlichkeit gepflegt wird. 2015 und 2016 erweiterte die Gemeinde das Gemeindezentrum nach Plänen von Architekt Holger Möller um einen großen Saal im Obergeschoss, ein Treppenhaus und Foyer, einen Aufzug und eine Küche sowie behindertengerechte Sanitärräume.

Frank Fornaçon