Skip to main content

Friedrich Ebert

Vom Sattler zum Reichspräsidenten

Den Forschungen von Prof. Dr. Walter Mühlhausen, Geschäftsführer der „Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“ in Heidelberg und Biograf des ersten Reichspräsidenten, ist es zu verdanken, dass wir den bedeutenden sozialdemokratischen Politiker zu denen zählen dürfen, die einmal im Stadtteil lebten – und zwar an der Straße, die fast sechs Jahrzehnte später nach ihm benannt werden sollte. Zu seiner Zeit war sie noch der preußischen Dynastie gewidmet, zu deren „Konkursverwalter“ Ebert werden sollte.

Der 1871 in Heidelberg geborene und aufgewachsene Friedrich Ebert kam 1890 auf der Wanderschaft, der „Walz“, für mehrere Monate nach Kassel, als der Sattlergeselle bereits politisch bei der SPD und gewerkschaftlich beim Sattlerverband engagiert war. Hier war er vom 16. März bis zum 28. Juni gemeldet. Durch „vielversprechende Inserate“ war der Handwerker „nach Kassel gelockt worden“, heißt es dazu von ihm selbst in einem Brief aus dem Jahr 1909. Dabei stammte die Offerte von dem Fabrikanten Friedrich Salzmann in der Hohenzollernstraße 78 (heute Allegro), der offenbar für das Militär arbeitete und  bei dem es bereits kurz darauf, am 31. März 1890, zum Streik kam, über den ein Polizeibericht vorliegt: „Bei dem Fabrikanten Friedrich Salzmann, Hohenzollernstraße 78, stellten am 31. März 49 Sattlergehilfen ohne Kündigung die Arbeit ein, weil ihnen die geforderte Lohnerhöhung nicht bewilligt wurde. Dieselben haben am 9. April, nachdem ihnen die Lohnerhöhung bewilligt worden war, die Arbeit wieder aufgenommen.“ (zit. nach Mühlhausen, Ebert Leben, S. 36) Ebert, der den Streik wohl nicht initiiert, aber „an der Organisation und an der Durchführung der Aktion in großem Maß Anteil genommen haben muss“, wie Münch schreibt, berichtete später darüber, dass der Fabrikant ungenügend auf die Aufträge des Militärs vorbereitet gewesen sei: „Es fehlte an Material und an Maschinen, so dass wir, als es zum Streik kam, alle in großem Dalles [Geldverlegenheit] waren“. (ebda., S. 37) Dennoch war das Verhalten der Streikenden von Solidarität über den eigenen Betrieb hinaus geprägt: „Dass sich trotzdem die Kollegen mit der geringen Unterstützung zufrieden gaben und gern einwilligten, dass der ‚Überschuss‘ – wenn auch nicht völlig – an zwei andere Streikorte abgeführt wurde, ist doch ein schöner idealer Zug gewesen, der mir die Sache als erwähnenswert erscheinen lässt.“ (ebda.) Diese Erfahrung von Solidarität beim Streik in Kassel „prägte Eberts weiteren Lebensweg“, so Walter Mühlhausen.

Dieser Lebensweg führte ihn über Bremen, wo er eine Familie gründete, Parteivorsitzender der SPD und Mitglied der Bürgerschaft wurde, 1905 als jüngstes Mitglied im Parteivorstand der SPD auf Reichsebene in die Hauptstadt Berlin. 1913 übernahm er nach dem Tod August Bebels zusammen mit Hugo Haase den Parteivorsitz und war später zusammen mit Philipp Scheidemann Fraktionsvorsitzender der SPD im Reichstag. Die aus der Revolution vom November 1918 hervorgehende und in Weimar tagende Nationalversammlung wählte Friedrich am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten der ersten deutschen Demokratie. 1922 für weitere drei Jahre wiedergewählt starb er 1925 im Alter von nur 54 Jahren, nicht zuletzt deshalb, weil eine Verleumdungskampagne der republikfeindlichen Rechten und ein daraus resultierender Prozess ihn von der Behandlung einer Krankheit abhielten. Auf dem Grabstein in Heidelberg steht sein Wahlspruch: "Des Volkes Wohl ist meiner Arbeit Ziel".

Auf seiner Meldekarte im Stadtarchiv Kassel, die ihn als Untermieter in der Hohenthorstraße und der Bahnhofstraße ausweist, ist bei der Rubrik „Stand oder Gewerbe“ das Wort „Sattler“ durchgestrichen und später durch „Reichspräsident“ ersetzt worden. Und auch sein Tod wurde vermerkt.

Die Stadt Kassel benannte 1947 den Friedrichsplatz nach ihm, eine Namensänderung, die 1949 wieder zurückgenommen wurde. Stattdessen erhielt nun die ursprüngliche Hohenzollernstraße, die man 1947 in Karl-Marx-Straße umbenannt hatte, seinen Namen. Die Straße, an der er einst gestreikt hatte.

Literatur

  • Walter Mühlhausen, Friedrich Ebert. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Begleitband zur ständigen Ausstellung in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg 1999
  • Ders., Friedrich Ebert 1871-1925. Reichspräsident der Weimarer Republik, 2. Aufl. Bonn 2007
  • Ders., Friedrich Ebert, 2. Aufl. Bonn 2018
  • Ronald A. Münch, Von Heidelberg nach Berlin: Friedrich Ebert 1871-1905, München 1991

Links

Das Foto von Friedrich Ebert als Wandergeselle wurde uns freundlicher Weise zur Verfügung gestellt von der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte.