Königstor
Nur wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg, von 1947 bis 1949, war das Königstor nach Matthias Erzberger benannt - eine Referenz vor den republikanischen Traditionen der deutschen Geschichte.
1875 in Münsingen geboren, beteiligte sich Erzberger an der Gründung christlicher Gewerkschaften (1899) und war seit 1903 für das Zentrum Reichstagsabgeordneter. Im Ersten Weltkrieg als scharfer Kritiker der deutschen Führung maßgeblich an der Friedensresolution des Reichstages (1917) beteiligt, in der SPD, Zentrum und Linksliberale für einen "Verständigungsfrieden" und damit gegen den “Siegfrieden" der Reichsführung eintraten, hatte er wesentlichen Anteil am Sturz des Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg und unterzeichnete am 11.11.1918 als Staatssekretär und Leiter der Waffenstillstandskommission den Waffenstillstandsvertrag. Als Reichsfinanzminister und Vizekanzler der Weimarer Republik führte Erzberger eine Finanzreform durch. Die von hochrangigen Politikern der nationalen Rechten mit getragene Hetze als "Novemberverbrecher" und "Volksverräter" führte letztlich zu seiner Ermordung am 26.8.1921 durch zwei ehemalige Marineoffiziere und Mitglieder der Brigade Ehrhardt. Mit ihm sollte die Weimarer Republik getroffen werden. Wenige Tage später demonstrierten deshalb die Kasseler Arbeiter für einen Zentrumspolitiker. Am 31. August 1921 war die Stadthalle voller Menschen. Die Arbeiterschaft sandte ein Telegramm an die Zentrumsfraktion:
"Aufs tiefste erschüttert und empört über den ruchlosen Mord an dem Abgeordneten Erzberger drückt die heutige Massenversammlung Casseler Männer und Frauen, veranstaltet von der SPD, der Zentrumsfraktion des Reichstages herzliches Beileid aus." (zit. nach: Hermsdorff, Ein Blick zurück, Nr. 456) In der Verteidigung der Republik waren sich in diesem Moment fünftausend Menschen unterschiedlicher politischer Richtungen einig: Liberale, Vertreter der Gewerkschaften, der SPD, der USPD und der Kommunisten.
1949 bekam das traditionsreiche Königstor seinen Namen zurück. Erzberger wurde mit einer Straße an anderer Stelle gewürdigt.