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Neues Bauen auf altem Grund

In der Diskussion um Wiederaufbau oder Neuaufbau, die nach dem Krieg in Deutschland intensiv geführt wurde, galt vielen die Katastrophe des zerstörerischen Nationalsozialismus auch als Chance einer grundlegenden Erneuerung, als Möglichkeit, mit modernen architektonischen und stadtplanerischen Ansätzen Neues zu schaffen. Für Kassel war diese Position dominierend.

Goethestraße 15

Auch in besonders stark zerstörten Teilen des Vorderen Westens hieß das Programm nicht Wieder-, sondern Neuaufbau. Mit dem Neubau Goethestraße 15 entstand das nach dem Haus in der Sophienstraße zweite Kasseler Wohnhochhaus mit anschließender Wohnbebauung, die sich - seit dem Abriss der Feuerwache - bis zur Westerburgstraße fortsetzt. (Zur Zerstörung dieses  Bereichs kommen Sie hier.)

Neuer Städtebau

Der Bereich zwischen Parkstraße und Königstor, Bismarckstraße und Goethestraße war durch eine sehr dichte gründerzeitliche Bebauung gekennzeichnet, bevor er fast vollständig in Trümmern fiel. Der Neuaufbau gab gründerzeitliche Grundsätze des Städtebaus auf schuf eine offene Bebauung, die modern, hygienisch und zweckmäßig sein sollte und Wohn- sowie Geschäftshäuser vorsah.

Ähnliche Konzepte wie hier zum Neuaufbau für eine gemischte Nutzung verfolgte man auch in anderen Städten. Der Bereich ist heute als Gesamtanlage Kulturdenkmal aus geschichtlichen Gründen. (vgl. ausführlich: Wiegand, Denkmaltopographie, S. 198-201)

Denkmalwürdige neue Wohnhäuser (Luisenstraße 4)

Das Eckgebäude am Luisenplatz zur Luisenstraße, das 1961 fertiggestellt wurde und das gründerzeitliche Haus ersetzte, steht heute aus künstlerischen und städtebaulichen Gründen unter Denkmalschutz (Architekt: Helmut Richter).

Gebäude der Commerzbank (Friedrich-Ebert-Straße 77)

Das von Caspar Scholten entworfene und 1959 fertiggestellte Gebäude an der Ecke Goethestraße / Friedrich-Ebert-Straße ist ein Blickfang. Der Stahlbetonskelettbau steht dort, wo sich bis 1943 das ebenso dominante ekklektizistische Gebäude im Besitz der Herkulesbrauerei befand, das auf zahlreichen Ansichtskarten aus dem alten Kassel abgebildet ist.

Neues ergänzt Altes - Luisenschule

Das im Krieg teilweise zerstörte Gebäude wurde bis 1953 wieder aufgebaut und mit Erweiterungsbauten versehen. Dabei gingen Altes und Neues eine gelungene Verbindung ein - so die Würdigung in der Denkmaltopographie:

"Die Luisenschule ist in ihrem in der Gestaltung perfekt abgestimmtem Nebeneinander von Alt und Neu ein sehr gutes Beispiel für einen gelungenen Wiederaufbau. Wo nötig, wurden Bauteile deutlich voneinander geschieden, wo zweckmäßig, ließ man sie direkt ineinander greifen. Die unter leichten Veränderungen wiederhergestellte Ostfassade steht für die ursprüngliche Bauform, die gut propertionierte Westfassade für die Moderne. Die Schule ist einschließlich Turnhalle und der Einfriedung zur Luisenstraße Kulturdenkmal aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen."

Neues ergänzt Altes - Friedrich-Ebert-Straße 124

Das im Krieg teilweise zerstörte Gebäude wurde "bis 1953 im Stil der Zeit, aber unter Bezugnahme auf den vorhandenen Bestand" wieder aufgebaut, wie T. Wiegand schreibt. Das Haus umfasst so neue und (zur Friedrich-Ebert-Straße hin) alte Bereiche.

Zu Kriegszerstörungen am Bebelplatz

Verzicht auf Rekonstruktion - Adventskirche

Wie auch bei der Martinskirche verzichtete man beim Wiederaufbau der zerstörten Adventskirche bewusst auf eine historische Rekonstruktion, ein Verzicht, der die Auffassung zugrunde lag, dass die Verluste durch den Krieg nicht rückgängig zu machen sind, dessen Wunden sichtbar bleiben sollen.

So enthält die heutige, erst 1963 fertiggestellte Kirche mit dem Unterbau des Turms, dem Chor und der nördlichen Langhauswand Elemente des neogotischen Ursprungsbaus wie auch moderne des Wiederaufbaus. Dass das Gebäude einmal zerstört war, ist deutlich ablesbar.

Literatur

Thomas Wiegand, Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Kassel II, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2005

Das neue Kassel. Fotografien des Wiederaufbaus von Günther Becker, Hg. Kasseler Fotoforum e. V., Kassel 2009