Skip to main content

Stadtplanung und Städtebau im Nationalsozialismus

1. Graf-Bernadotte-Platz

Der unterhalb des Bahnhofs Wilhelmshöhe liegende Platz verdankt seine Entstehung nationalsozialistischer Stadtplanung: der Errichtung eines ausgedehnten Gebäudekomplexes der Militärverwaltung („Generalkommando“) und der Anlage eines mehr als 30 Meter breiten Straßenzuges, der einmal dazu gedacht war, einen in der Nähe des heutigen Bahnhofs Wilhelmshöhe geplanten Fernbahnhof zu erschließen und für militärische Aufmärsche nutzbar zu sein (siehe Abbildung zur Stadtplanung). Dem fielen ein Teil der Aschrottstraße und des von Diagonalen geprägten Stadtgrundrisses im Vorderen Westens zum Opfer. Die Straße verlief ursprünglich vom Tannenwäldchen bis zur Wilhelmshöher Allee (siehe oberen Stadtplan 1907-1914). Ihr Name wurde von den Nazis getilgt, erinnerte er doch an die Familie des jüdischen Stadtteilgründers Sigmund Aschrott.

Am Graf-Bernadotte-Platz steht mit dem Gebäude der 1930 eingeweihten Heinrich-Schütz-Schule ein herausragendes Beispiel der Architektur der 1920er Jahre einem Barock und Klassizismus monumentalisierenden Beispiel der NS-Architektur gegenüber, die immer auch den Vorstellungen und Wünschen des Führers entsprechen sollte. Anatols documenta Kunstwerk „Tante Olga“ auf der Seite der Heinrich-Schütz-Schule kontrastiert mit den Rossebändigern aus der NS-Zeit vor dem Bundessozialgericht.

Die heutige Gestaltung des Platzes verdankt sich Überlegungen und Planungen der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, die auch eine Verkehrsberuhigung zum Ziel hatten (vor allem in den Einmündungsbereichen der Querstraßen) und die ihn vor allem als Parkplatz nutzbar machen.

 

 

2. Wilhelmshöher Allee / Rathenauplatz

Die nationalsozialistische Stadtplanung sah eine Neugestaltung der Wilhelmshöher Allee vor, nach der die „einzigartige städtebauliche Monumentalachse in gewissen Abständen durch platzartige Erweiterungen aufgelockert werden sollte“, wie es in einer Kasseler Zeitung hieß (siehe obere Abbildung NS-Planung zum Wilhelmsplatz - heute Rathenauplatz). Die Baufluchtlinie westlich der Murhardstraße sollte deshalb weit hinter die Allee zurückgelegt werden, was den Abriss mehrerer Häuser erzwang. Darunter war auch das beliebte und im Volksmund allgemein als Wehlheider Schlösschen bezeichnete Sommerhaus der Brüder Murhard, in dem lange  deren umfangreiche Bibliothek untergebracht war. Der Abriss der Häuser war endgültig, von den geplanten Neubauten entstand nur das Finanzamt Kassel-Außenbezirk, das – weit hinter die Straßenflucht zurückgesetzt – von nationalsozialistischen Vorstellungen einer Gauhauptstadt zeugt.