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Johanna und Hermann Levy

Kirchweg 82

Hermann Levy wurde am 22.08.1872 in Melsungen als siebtes von insgesamt 12 Kindern geboren. Seine Eltern waren Leib Levy (22.08.1835 – 1899) und Esther, geb. Speier (14.03.1836 in Röhrenfurth – 20.10.1922 in Melsungen). Hermann Levy wohnte und arbeitete als Verkäufer seit dem 28.10.1893 in Kassel und zwar zunächst in der Unteren Königsstraße 46. Dort arbeitete bereits ein Verwandter, Siegfried Levy in der Firma Gebr. Alsberg und Comp., die Modewaren und Damenkonfektion vertrieb. Mit Unterbrechungen, vor allem durch den Militärdienst, den er in Metz ableistete, arbeite er auch weiterhin in diesem Unternehmen, dessen Filiale in Kassel er 1907 zusammen mit Siegfried Levy übernahm und deren Geschäftsräume die beiden ebenso erweiterten wie das Sortiment. 1933 wurde das Geschäft als Teppich- und Gardinen-Spezialhaus geführt, musste aber bereits zwei Jahre später die Räume in der Unteren Königsstraße 48 aufgeben. Ende 1937 übernahm dann Jean A. (der bereits ein Geschäft für Gardinen und Linoleum in der Mauerstraße 22 betrieb) im Zuge der sog. „Arisierung“ das Bekleidungsgeschäft Gebr. Alsberg, Untere Königsstraße 46 und führte beide Geschäfte weiter. Es ist nicht klar, wann sich Hermann Levy aus dem Berufsleben zurückgezogen hat. 1933 erscheint er in den Meldeunterlagen als „Privatmann“.

Hermann Levy war verheiratet mit Johanna (Hanna) Levy, geb. Levy, geb. 26.03.1885 in Melsungen, mit der er am 1.11.1911 in die Kronprinzenstraße 10½ zog. Danach bewohnte die kinderlose Familie Levy seit dem 12.10.1932 im Kirchweg 82 im ersten Stock rechts eine sehr gut ausgestattete und eingerichtete 5-Zimmer-Wohnung mit 174 m2 Wohnfläche, sie waren also wohlhabend.

Anlässlich der „von-Rath-Aktion“ gegen die deutschen Juden wurde Hermann Levy in Kassel von der Gestapo am 9.11.1938 verhaftet und bis zum 26.11.1938 mit 257 anderen Kasseler Männern jüdischen Glaubens im Konzentrationslager Buchenwald (bei Weimar) inhaftiert.

Auf behördliche Anordnung mussten Hermann und Johanna Levy am 31.1.1941 in ein sog. Judenhaus in der Moltkestraße 1 (in der Altstadt in der Nähe der Martinskirche gelegen – die Moltkestraße existiert heute nicht mehr) umziehen. Bei diesem Umzug konnte die Familie Levy nur einen kleinen Teil ihrer Habe mitnehmen, der größte Teil blieb in der Wohnung im Kirchweg 82 und wurde dann von SA, SS oder Gestapo abtransportiert und verkauft.

In die Wohnung der Familie Levy wurde dann bereits am 8.2.1941 (also rund eine Woche nach dem Auszug der Familie Levy) der SA-Hauptsturmführer Günter Kühndel, vorher wohnhaft in Berlin, auf Veranlassung der NSDAP eingewiesen.

Gemäß der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 01.09.1941 waren Hermann und Johanna Levy verpflichtet, seit dem 19.09.1941 den sog. Judenstern zu tragen.

Am 25.09.1941 erfolgte ein nochmaliger behördlich angeordneter Umzug in ein sog. Judenhaus in der Entengasse 22.

In einer Mitteilung der Gestapo Kassel an die Landräte und Polizeidienststellen wurde am 25.08.1942 angekündigt, dass „am 07.09.1942… die restlichen Juden aus dem Regierungsbezirk Kassel nach Theresienstadt abgeschoben werden“. Weiter heißt es: „Sämtliche Juden werden vor ihrem Abtransport nach Theresienstadt in einem Auffanglager in Kasel konzentriert. Vorgesehen für diesen Zweck sind die Bürgerschulen Schillerstraße / Ecke Wörthstraße in Kassel.“

Hermann und Johanna Levy wurden also am 07.09.1942 gemeinsam von Kassel aus mit Transport Nr. „XV/1“ über Chemnitz in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo der Transport am 08.09.1942 ankam. Hermann und Johanna Levy werden in der Transportliste als „Arbeiter“ geführt.

Dieser Transport umfasste insgesamt 843 Personen, davon 752 aus dem Regierungsbezirk Kassel. Unter den aus Kassel mit diesem Transport deportierten Menschen waren auch 54 aus dem jüdischen Altersheim Große Rosenstraße 22 und 76 aus dem jüdischen Altersheim Mombachstraße 17.

Von diesen insgesamt 843 Menschen erlebten nur 71 das Kriegsende.

Daran schloss sich am 28.10.1944 ein Transport Nr. „EV“ in das Vernichtungslager Auschwitz an. Dieser Transport umfasste insgesamt 2.030 Personen, von denen nur 171 das Kriegsende erlebten. Hier verliert sich die Spur von Hermann und Johanna Levy. Es muss davon ausgegangen werden, dass beide unmittelbar bei Ankunft im KZ Ausschwitz bei der Selektion der Gruppe der nicht arbeitsfähigen Menschen zugeordnet und in der Gaskammer ermordet wurden. Hermann Levy wurde 72, Johanna Levy wurde 59 Jahre alt.

(recherchiert von M. Eichel)